In search of Milchstraße

Ausstellung, Edel Extra, Nürnberg 2022

Zarte Gebilde, bestehend aus alltäglichen Dingen, kommen als bizarrer Fremdkörper daher, als Fiktion. Aus Unperfektem wird Schönheit generiert. Die Formensprache lässt an eine labile Parallelwelt denken.
Wir untersuchen die Materialität von Gefundenem oder Gesammeltem in Verbindung mit Licht.
Vernissage: Mittwoch, 20. Juli 2022, 19-22 Uhr
Ausstellungszeitraum: 21.-25. Juli 2022, 17-22 Uhr

View Project

KEIN LICHT OHNE SCHWARZ!

Zur Installation „In search of Milchstraße“ von Dr. Harald Tesan


Bei ihrer Nürnberger Installation des Jahres 2022 thematisierten sie mehr denn je das Schwarz an sich. Als Dunkelheit war das Schwarz zwar stets präsent in ihrem Schaffen, hatte aber bis dahin im wahrsten Sinn des Wortes eher ein Schattendasein geführt. In den Räumen der Galerie Edel Extra erhoben sie es nun zum eigenständigen Thema. Als Gegenspieler zum Licht war es schon immer da, war dessen unabdingbare Voraussetzung. Es wurden Kunstdebatten darüber geführt, ob das Schwarz eine Farbe, oder schlichtweg die Absenz von Licht ist. Bei Ulli Gabler und Dieter Ströbel ist es weit mehr: etwas genauso Visuelles wie Imaginatives, ein ambivalenter, mit Energie aufgeladener Zustand, etwas Materielles von körperlicher Anmutung, auf alle Fälle etwas mit allen Sinnen Erfahrbares. Videobänder mit ihren reflektierenden Oberflächen, dazu Lampen und Spiegel, stimmten im ersten Raum auf ein Gesamtkunstwerk ein, das im hinteren Bereich der Galerie seinen Höhepunkt erfuhr. Wie langes, schwarzes Lametta flatterten Videobänder im Wind von Ventilatoren, schillerten dabei in allen Regenbogenfarben.

In einem separaten, mit altmodischem Gardinenstoff verschleierten Raum wartete eine geheimnisvolle Apparatur darauf, entdeckt zu werden. Aus handelsüblichen Holzlatten, wie sie in jedem Baumarkt zu finden sind, war eine unregelmäßige Konstruktion über rechteckigem Grundriss errichtet. Von seiner Geometrie erwies sich dies Gerüst als Zwitterwesen. Ähnlich dem berühmten Polyeder aus Dürers Melencholia I wurde die Spannung zwischen einem kristallförmigen und zugleich unregelmäßigen Gebilde gehalten. Glühbirnen, inzwischen Retro-Versatzstücke, hingen traubenförmig an schwarzen Kabeln und leuchteten in behäbigen Intervallen auf. Darunter eine Sockelfläche aus Spiegeln variabler Größe. Sie lagen neben- und übereinander, bildeten ein Patchwork, in dem sich nicht nur das beleuchtete Objekt spiegelte und vervielfältigte. Auch die Betrachter*innen nahmen sich selbst wahr, wurden Teil des Werkes, wenn sie sich ihm näherten. Von Zeit zu Zeit war ein an- und abschwellender Ton vernehmbar. Er kam aus unbestimmter Richtung und erfüllte den Raum auf geheimnisvolle Weise. Der symphonische Klang war spacy, betörend und beunruhigend zugleich. In Kombination mit dem temporären Aufleuchten vermittelte er den Eindruck eines atmenden Organismus. Life on Mars? – Die Installation führte im Zusammenspiel von Licht, Sound und Struktur ihr pulsierendes Eigenleben. Sie schlief ein und erwachte mit einem kurzen, merkwürdig schwebenden, synthetisch-sphärischen Seufzer. 

Blackbox Wunderkammer: der Verweis auf Archetypisches, etwa die vier Elemente (Feuer/Elektrizität, Erde/Holz, Wasser/Liquides und Luft/Schweben/Reflexion) bleibt unaufgeregt, fast beiläufig und ist deshalb umso wirkmächtiger. Besteht nicht 95 % der Masse des Universums aus „Schwarzer Materie“, von der noch gar nicht klar ist, worum es sich hierbei eigentlich handelt? – In vielerlei Hinsicht vereinte die Installation in der Galerie Edel Extra vorausgegangene Konzepte Gablers und Ströbels. Innerhalb ihres vielgestaltigen OEuvres behauptet „In Search of Milchstraße“ die Position eines Schlüsselwerks.

Dr. Harald Tesan, Kunsthistoriker

Vollständiger Text im Portfolio PDF 2023
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